Self-Sovereign Identity (SSI)

Definition und Grundidee

Self-Sovereign Identity (SSI) beschreibt ein dezentrales Konzept der digitalen Identität, bei dem Individuen die volle Kontrolle über ihre Identitätsdaten behalten. Im Gegensatz zu zentralen Identitätsmodellen (z. B. Nutzerkonten bei Plattformanbietern oder staatlichen Portalen) basiert SSI auf der Idee, dass jede Person ihre Identitätsnachweise selbst verwaltet und selektiv weitergibt - ohne auf zentrale Zwischeninstanzen angewiesen zu sein.

Technologische Grundlage

SSI basiert auf Technologien wie Blockchain, kryptografischen Verfahren und dezentralen Identifikatoren (DIDs). Digitale Nachweise ("Verifiable Credentials") können in digitalen Wallets gespeichert und bei Bedarf vertrauensvoll vorgelegt werden - beispielsweise gegenüber einer Behörde, einem Arbeitgeber oder einer Bildungseinrichtung.

Beispielhafte Anwendung

Eine Person kann mit SSI-Nachweisen:

  • ihre Immatrikulation an einer Universität belegen
  • ihre Berufsausbildung oder Zertifizierungen nachweisen
  • ihre Adresse oder Identität gegenüber einer Kommune verifizieren

Und das alles, ohne dass die ausstellende Stelle bei jeder Nutzung erneut eingebunden sein muss.

Vorteile von SSI

  • Datensouveränität: Kontrolle darüber, wer welche Daten zu welchem Zweck erhält
  • Privatsphäre: Minimaldatenaustausch durch selektive Offenlegung
  • Fälschungssicherheit: Digitale Signaturen garantieren Integrität der Nachweise
  • Portabilität: Nachweise können über verschiedene Dienste und Lebenslagen hinweg verwendet werden

Herausforderungen und Grenzen

  • Akzeptanz: SSI erfordert ein Umdenken bei Bürgern und Institutionen
  • Interoperabilität: Standards müssen EU-weit und darüber hinaus einheitlich sein
  • Vertrauensrahmen: Wer stellt aus? Wer prüft? Wer akkreditiert?
  • Usability: Digitale Identität darf nicht an zu komplexer Handhabung scheitern

EU Digital Identity Wallet und eIDAS 2.0

Die EU verfolgt mit der Digital Identity Wallet und der überarbeiteten eIDAS 2.0-Verordnung einen SSI-nahen Ansatz. Bürger sollen eine staatlich anerkannte, europaweit nutzbare Identitätswallet erhalten, die sie für Verwaltungsleistungen, Bankgeschäfte oder Bildungsnachweise nutzen können. Diese Wallets könnten zukünftig auch kommunale oder privatwirtschaftliche Nachweise enthalten.

Bedeutung für die Verwaltung

SSI bietet der Verwaltung neue Chancen:

  • Vereinfachte Authentifizierung: Ohne zentrale Nutzerkonten
  • Effizienzsteigerung: Automatisierte Datenprüfung und Validierung
  • Bürgerzentrierung: Mehr Kontrolle und Transparenz für Nutzer

Bedeutung für GovTech-Unternehmen

SSI ist ein Wachstumsfeld für GovTech:

  • Wallet-Integrationen: Entwicklung nutzerfreundlicher Interfaces und Apps
  • Credential-Management: Plattformen zur Erstellung, Verwaltung und Validierung digitaler Nachweise
  • Schnittstellen zu Fachverfahren: Anbindung an kommunale Systeme
  • Beratung: Strategien zur Einführung von SSI-basierten Prozessen

Fazit

Self-Sovereign Identity ist mehr als ein technologischer Trend - es ist ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Identität. Wenn es gelingt, Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und Interoperabilität in Einklang zu bringen, könnte SSI die Grundlage für eine neue Generation bürgerzentrierter Verwaltungsleistungen bilden.

GovTech-Unternehmen, die diese Entwicklung frühzeitig mitgestalten, können einen entscheidenden Beitrag zur digitalen Souveränität Europas leisten.