Mikroservices in der Verwaltung

Was sind Mikroservices in der Verwaltungs-IT?

Mikroservices repräsentieren einen architektonischen Ansatz für die Entwicklung von Software, der auch in der öffentlichen Verwaltung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das Grundprinzip ist einfach, aber wirkungsvoll: Anstatt monolithische Anwendungen zu entwickeln, bei denen alle Funktionalitäten in einem großen, schwer zu wartenden System vereint sind, werden Anwendungen in kleine, unabhängige Dienste aufgeteilt. Jeder dieser Mikroservices erfüllt eine spezifische fachliche Funktion und kann eigenständig entwickelt, bereitgestellt und skaliert werden.

Für die Verwaltungs-IT bietet dieser Ansatz besondere Vorteile. Die historisch gewachsene IT-Landschaft vieler Behörden ist oft von Silostrukturen und komplexen Altsystemen geprägt. Mikroservices ermöglichen es, diese Strukturen schrittweise zu modernisieren, ohne gleich komplette Systeme ersetzen zu müssen. Neue Funktionalitäten können als eigenständige Services entwickelt und über standardisierte Schnittstellen an bestehende Systeme angebunden werden.

Vorteile für die digitale Verwaltung

Die Umstellung auf eine Mikroservice-Architektur bringt für Behörden verschiedene Vorteile mit sich. Besonders wertvoll ist die erhöhte Agilität: Da einzelne Dienste unabhängig voneinander weiterentwickelt werden können, lassen sich Änderungen und neue Funktionen deutlich schneller umsetzen. Dies ermöglicht eine bessere Reaktion auf neue gesetzliche Anforderungen oder veränderte Bürgerbedürfnisse.

Auch die Skalierbarkeit profitiert von diesem Ansatz. Während bei monolithischen Anwendungen oft das gesamte System skaliert werden muss, selbst wenn nur ein einzelner Bereich unter Last steht, können bei Mikroservices gezielt nur jene Dienste verstärkt werden, die tatsächlich mehr Ressourcen benötigen. Dies ist besonders relevant für Verwaltungsanwendungen mit stark schwankender Nutzung – etwa Steuerportale zu Abgabefristen oder Antragsportale für zeitlich begrenzte Förderungen.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die technologische Flexibilität. Da jeder Mikroservice eine in sich abgeschlossene Einheit darstellt, kann für jeden Dienst die am besten geeignete Technologie gewählt werden. Dies ermöglicht es, moderne Technologien schrittweise einzuführen, ohne gleich die gesamte Anwendungslandschaft umstellen zu müssen.

Praktische Anwendungsbeispiele

In der Praxis finden sich bereits verschiedene erfolgreiche Anwendungen von Mikroservices in der Verwaltung. Ein gutes Beispiel ist die Modernisierung von Bürgerportalen: Statt eines monolithischen Portals können einzelne Funktionalitäten wie Authentifizierung, Formularmanagement, Bezahlfunktionen oder Terminvereinbarung als separate Mikroservices implementiert werden. Dies erlaubt nicht nur eine flexiblere Weiterentwicklung, sondern auch die Wiederverwendung dieser Dienste in anderen Anwendungen.

Auch im Bereich der Fachverfahren bietet der Mikroservice-Ansatz Vorteile. Komplexe Prozesse wie Bauantragsverfahren können in einzelne Prozessschritte zerlegt werden, die jeweils durch spezialisierte Dienste abgebildet werden. Dies verbessert nicht nur die Wartbarkeit, sondern ermöglicht auch eine einfachere Anpassung an lokale Besonderheiten oder rechtliche Änderungen.

Die britische Regierung hat mit dem Government Digital Service (GDS) früh auf Mikroservices gesetzt und dadurch eine flexible, nutzerorientierte Plattform für digitale Verwaltungsdienste geschaffen. In Deutschland finden sich zunehmend Beispiele bei der Modernisierung von IT-Systemen auf Bundes- und Landesebene, etwa bei der Entwicklung des Onlinezugangsgesetzes (OZG)-Portals oder bei der Neugestaltung steuerlicher IT-Verfahren.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Die Einführung von Mikroservices in der Verwaltung ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Eine zentrale Herausforderung liegt in der erhöhten Komplexität des Gesamtsystems. Was früher innerhalb einer Anwendung kommunizierte, muss nun über Netzwerkaufrufe zwischen verschiedenen Diensten abgewickelt werden. Dies erfordert ein durchdachtes API-Management und robuste Mechanismen für Service-Discovery und Load-Balancing.

Auch organisatorisch ergeben sich neue Anforderungen. Der Mikroservice-Ansatz funktioniert am besten mit kleinen, cross-funktionalen Teams, die jeweils für einen oder mehrere Dienste verantwortlich sind. Dies kann eine Umstellung für Behörden bedeuten, die traditionell stärker nach Fachabteilungen organisiert sind.

Nicht zuletzt stellen sich spezifische Fragen zu Datenschutz und Sicherheit. Während die Isolation einzelner Dienste grundsätzlich die Sicherheit erhöhen kann, werden gleichzeitig neue Angriffsvektoren geschaffen, etwa durch die zahlreichen API-Schnittstellen. Eine sorgfältige Planung der Sicherheitsarchitektur ist daher unerlässlich.

Chancen für GovTech-Unternehmen

Für innovative Unternehmen im GovTech-Bereich bieten Mikroservice-Architekturen in der Verwaltung vielfältige Chancen. Der modulare Ansatz senkt die Einstiegshürden für neue Anbieter, da nicht mehr komplette Systemlandschaften, sondern einzelne Funktionsbausteine entwickelt werden können. Dies kommt besonders spezialisierten Startups zugute, die innovative Lösungen für spezifische Herausforderungen anbieten.

Die klar definierten Schnittstellen zwischen Mikroservices erleichtern zudem die Integration von Drittanbieterlösungen. Ein GovTech-Unternehmen kann beispielsweise einen spezialisierten Service für die KI-gestützte Dokumentenanalyse entwickeln, der sich über standardisierte APIs in verschiedene Verwaltungsanwendungen einbinden lässt.

Auch die Migration von Legacy-Systemen bietet interessante Geschäftsfelder. Spezialisierte Dienstleister können Behörden dabei unterstützen, ihre bestehenden Anwendungen schrittweise in eine Mikroservice-Architektur zu überführen und so den Weg für eine kontinuierliche Modernisierung zu ebnen.

Erfolgreiche Umsetzungsstrategien

Für eine erfolgreiche Implementierung von Mikroservices in der Verwaltung haben sich verschiedene Strategien bewährt. Besonders wichtig ist ein schrittweises Vorgehen: Statt zu versuchen, komplette Systeme auf einmal umzustellen, empfiehlt sich ein gradueller Übergang, bei dem zunächst einzelne, klar abgegrenzte Funktionalitäten als Mikroservices ausgelagert werden.

Eine solide Domänenanalyse ist dabei unerlässlich. Die Grenzen zwischen Mikroservices sollten entlang fachlicher Domänen gezogen werden, nicht entlang technischer Aspekte. Dies fördert die Kohäsion innerhalb der Services und reduziert die Kopplung zwischen ihnen.

Auch die Einführung von DevOps-Praktiken und Automatisierung spielt eine wichtige Rolle. Die zahlreichen einzelnen Services erfordern automatisierte Prozesse für Tests, Deployment und Monitoring, um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten und eine hohe Qualität zu gewährleisten.

Nicht zuletzt ist eine offene, auf Standards basierende Architektur entscheidend. Die Verwendung offener Standards für Schnittstellen, Datenformate und Protokolle verhindert Vendor-Lock-in und fördert die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen und Anbietern.

Zukunftsperspektiven

Die Bedeutung von Mikroservices für die Verwaltungs-IT wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Durch die zunehmende Containerisierung und die Verbreitung von Cloud-Native-Technologien werden die technischen Grundlagen für Mikroservice-Architekturen immer ausgereifter und leichter zugänglich.

Gleichzeitig wächst der Druck auf Behörden, ihre Dienste flexibler, nutzerorientierter und effizienter zu gestalten. Mikroservices bieten hier einen vielversprechenden Ansatz, um die digitale Transformation der Verwaltung voranzutreiben, ohne durch monolithische Strukturen gebremst zu werden.

Für die GovTech-Branche eröffnet dies spannende Perspektiven. Die modulare Natur von Mikroservices fördert ein Ökosystem aus spezialisierten Anbietern, die innovative Lösungen für spezifische Herausforderungen entwickeln. Durch die Kombination dieser Bausteine können flexible, leistungsfähige und nutzerorientierte Verwaltungsanwendungen entstehen, die den Anforderungen einer modernen digitalen Gesellschaft gerecht werden.